Durch das Coronavirus bleiben Familien zu Hause, die meisten Geschäfte sind geschlossen und eventuell kommen Existenzängste hinzu. In nicht jeder Familie führt dies zu einem friedsamen Beisammensein, in dem sich die Familienmitglieder gegenseitig unterstützen. Gemäß deutscher Statistik erleidet jede dritte bis vierte Frau häusliche Gewalt.
Experten haben große Befürchtungen, dass die Fälle häuslicher Gewalt während der Corona-Krise zunehmen werden. Der Opferhilfeverein Weißer Ring fordert zur Achtsamkeit auf. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey wendet sich an die Bundesländer und ruft diese dazu auf bei überfüllten Frauenhäusern Hotelzimmer als Ausweichmöglichkeit anzubieten. Bereits ohne Coronavirus arbeiten Frauenhäuser an ihren Kapazitätsgrenzen. Insofern muss für schnelle Hilfe gesorgt werden. Allein in China stieg die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt um das dreifache an. Heike Herold, Geschäftsführerin der deutschen Frauenhauskoordinierung klärt über die Möglichkeiten auf, wie in Fällen häuslicher Gewalt umzugehen ist.
Aufgrund der sozialen Distanzierung um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, sind lediglich nur noch Supermärkte und Apotheken mit eingeschränkten Öffnungszeiten geöffnet, soziale Kontakte können nur noch virtuell gepflegt werden, Hobbies kann nicht mehr richtig nachgegangen werden, Kinder bleiben aufgrund geschlossener Kindergärten und Schulen zu Hause. Diese drastischen Einschränkungen und Änderungen des Alltags können zu Stress und Ängsten führen. Wenn es in der Beziehung ohnehin schon zu verbalen und physischen Auseinandersetzungen gekommen ist, dann besteht in Quarantäne ein größeres Risiko, dass diese Auseinandersetzungen sich zuspitzen, ohne dass der Betroffene zu Freunden gehen kann beziehungsweise an andere Orte gehen kann um sich zu schützen. Dadurch kann die Situation nicht unterbrochen werden, was oftmals hilft oder bereits in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, dass es zu keiner physischen Gewalt erst gekommen ist. Stattdessen besteht die Gefahr, dass die Situation unkontrolliert weiterläuft.
Inhaltsverzeichnis
Welche Möglichkeiten haben Betroffene?
Die Opfer sind hier nicht ganz hilflos, auch wenn die Bedingungen durch die Quarantäne erheblich erschwert sind. Es gibt unterschiedliche Anlaufstellen, wenn es zur häuslichen Gewalt kommt. In Krisen-Situationen kann man mit seinen Kindern Frauenhäuser aufsuchen, wenn dort die entsprechenden Kapazitäten bestehen. Fachberatungsstellen sind durch die Corona-Krise nun online und telefonische erreichbar und bieten den Betroffenen über diese Kanäle Hilfe an. Darüber hinaus gibt es das bundesweite Hilfstelefon, welches Betroffenen aller Nationalitäten 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr Online- und Telefonberatung anbietet. Hilfe wird in 17 unterschiedlichen Sprachen angeboten und sogar in Gebärdensprache. Angehörige, Freundinnen und Freunde können sich ebenfalls an diese Beratungsstelle wenden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieser Service durch die Corona Pandemie eventuellen Einschränkungen unterliegt, sodass die Beratung nicht, wie gewohnt, durchgängig im gewöhnlichen Umfang durchgeführt werden kann.
Wichtige Telefonnummern und Adressen
Telefonnummern und Email
- Frauenhauskoordinierung: info@frauenhauskoordinierung.de
- Hilfetelefon für Frauen: 08000 116 016 (rund um die Uhr)
- Der Weisse Ring Hilfetelefon: 116006 (7 – 22 Uhr)
- BIG Hotline (speziell für Berlin) 030 – 611 03 00 (8 – 23 Uhr)
Online-Angebot
Wenn Sie keine Möglichkeit sehen sich telefonisch zu informieren, so bieten die Beratungsstellen auch Onlineangebote an. So können Sie per Email und/oder Chat Kontakt mit den Beratungsstellen aufnehmen:
- Hilfetelefon Email- und Chat-Angebot
- Onlineberatung des Weissen Rings
- BIG Hotline (speziell für Berlin)
Bei akuter Gefährdung Polizeinotruf 110
Außerdem gibt es die Möglichkeit die Polizei zu rufen. Vor allem bei akuter Gefährdung sollte man direkt den Notruf rufen. Zögern Sie nicht diesen Schritt zu gehen, insbesondere wenn es zur physischen Gewalt kommt und Kinder im Haushalt sind oder sogar betroffen sind. Die Polizei kann dem Aggressor einen Platzverweis erteilen, ihn in polizeilicher Gewahrsam halten oder Ihnen polizeilichen Schutz bieten, der Sie und Ihre Kinder vom Aggressor trennt. Sie können die Polizeibeamten bitten ihnen einen Hinweis zu geben, sobald der Täter im Falle einer Gewahrsam, wieder freigelassen wird und sie eine andauernde Gefahr befürchten. Dies verschafft ihnen Zeit sich und gegebenenfalls ihre Kinder in Schutz zu bringen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit eine Anzeige und einen Strafantrag zu stellen. Bei Verletzungen ist es empfehlenswert diese durch einen Arzt zu dokumentieren beziehungsweise attestieren zu lassen.
Wenn Sie nicht anrufen können, gibt es auch die Möglichkeit an einige Polizeistellen eine Notruf-SMS zu versenden. Weitere Informationen samt SMS-Nummern finden Sie hier:
http://www.notfall-telefax112.de/die-sms-nothilfe.html
Zudem gibt es auch einige Notfall-Apps, die insbesondere in einer akuten Gefährdungslage genutzt werden können, um die Polizei und/oder Angehörige zu kontaktieren. Meist wird eine Ton/Videoaufnahme sowie die Standortdaten mit versendet, ohne das der Aggressor/Angreifer davon erfährt. Einige dieser Apps sind kostenlos jedoch kostenpflichtig, wie z.B. die App HandHelp. Trotzdem sollte man sich auf eine Notruf-Apps nicht zu 100% verlassen und nach Möglichkeit immer direkt die 110 wählen.
Wie kann man als Außenstehender helfen?
Oft wissen Opfer häuslicher Gewalt sich nicht zu helfen. Sie haben insbesondere Angst, dass durch ein Hilferuf die Situation nur noch verschlimmert wird und der Andere dadurch noch wütender und aggressiver wird. Nachbarn sind räumlich nahestehende Dritte, die solche Auseinandersetzungen mitbekommen können. Es ist wichtig in solchen Situationen zu helfen aber nicht indem man den Aggressor zur Rede stellt, sondern indem man die Situation unterbricht, wenn man bei den Nachbarn geklingelt und nach Salz oder Eiern fragt. Dadurch entsteht erst einmal ein Bruch der aggressiven Handlung, in dem der Aggressor nun ein sozial akzeptables Verhalten an den Tag legen muss und darüber hinaus erinnert wird, dass es soziale Kontrolle gibt. Freunde und Bekannte, denen bekannt ist, dass es in der Vergangenheit bereits zu häuslicher Gewalt gekommen ist oder ein entsprechender Verdacht besteht, können ihren Freunden telefonisch zur Seite stehen, sich informieren, wie die Situation ist und gegebenenfalls mit beiden reden um auch hier zu zeigen, dass soziale Kontrolle besteht. Zum anderen werden durch ein Telefonat mögliche Krisensituationen vermieden oder unterbrochen, da die Person am Telefon ist und dann in der Regel keine Aggressionen stattfinden aus Scham oder Angst, dass Jemand etwas mitbekommen könnte. Es ist wichtig auch die ersten Anzeichen häuslicher Gewalt zu erkennen. Normalerweise erkennt man eine geringschätzige Haltung des Aggressor gegenüber der betroffenen Person, es kam bereits schon zu verbalen Eskalationen oder womöglich sogar schon zu physischen Angriffen. Die Betroffenen spielen Verletzungen oder das abusive Verhalten des Anderen herunter oder vertuschen es komplett. Bei körperlichen Verletzungen werden Ausreden gegeben, wie ein Sturz von der Treppe oder Leiter. Erkennen Sie diese Anzeichen frühzeitig und stehen Sie ihren Freunden, Bekannten oder Nachbarn bei, denn oftmals schaffen sie es nicht alleine aus dieser Situation.